Doppelter Neuhäuser R

Verfasst von Hans-Joachim Bannier im April 2015. Soweit nicht anders angegeben, liegt das Urheberrecht für alle Sortenfotos beim Autor.

Gefährdungsgrad:

stark gefährdet

Regionalsorte:

ja

Synonyme:

Flambeau

Reifezeit:

Die Pflückreife beginnt etwa Anfang bis Mitte Oktober. Verwendbar bleiben die Früchte bis etwa Januar/Februar.

Herkunft:

Die Sorte Doppelter Neuhäuser war – ebenso wie der „einfache“ Neuhäuser – in der sogenannten „Bergischen Obstkammer“ einst sehr verbreitet. Beide Sorten können als typische Regional­sorten des Bergischen Landes angesehen werden. Die genaue Herkunft und der Entstehungs­zeitpunkt beider Sorten sind unbekannt. Nach einer Notiz in der „Rhein. Monatss­chrift für Obst-, Gemüse- und Gartenbau“ vom Mai 1925 wurde der Neuhäuser bereits „Ende des 17. und Anfang des 18. Jahr­hunderts im Bergischen angepflanzt. Über die Entstehung des Doppelten Neuhäuser gibt es dagegen keine Angaben. Vermutlich ist er einst aus einem Samen des Neuhäuser entstanden.

Verbreitung:

Ebenso wie der Neuhäuser war auch der Doppelte Neuhäuser im Bergischen Land noch bis zum Zweiten Weltkrieg in den Streuobst­beständen recht verbreitet, teils auch unter dem Synonym Flambeau (mündliche Mitteilung von Rudi Schörmann, langjähriger Obstbau­berater des Kreises Opladen). Alfred Bartl, von 1950-1974 Kreis­obstbau­inspektor im Rhein-Wupper-Kreis und bis 1978 im Rheinisch-Bergischen Kreis, zählt den Flambeau ebenso wie den Neuhäuser unter den häufigen Hochstamm-Sorten des Bergischen Landes auf (Bartl, „Der Obstbau des Rhein-Wupper-Kreises und in Leverkusen“, 1955, S. 29). Dass Bartl den Flambeau auch in einer Reihe mit dem (Doppelten) Härtling unter den „süßen und halbsüßen Sorten“ aufzählt, könnte ein Hinweis darauf sein, dass die Früchte des Doppelten Neuhäuser seinerzeit – wie die anderer Süßäpfel – häufig auch zur Herstellung des Rheinischen Apfel­krauts verwendet wurden. Heute ist der Doppelte Neuhäuser im Bergischen Land nur noch selten in den Streuobst­beständen zu finden; es sind nur noch wenige Standorte bekannt. Derzeit führt die Baumschule Korff in Odenthal die Sorte noch in ihrer Angebots­liste. Neben seiner historischen Verwertung als Krautapfel dürfte der Doppelte Neuhäuser vor allem als Wirtschafts- bzw. Verarbeitung­sapfel anzusehen sein. Die Pflück­reife beginnt etwa Anfang bis Mitte Oktober. Verwendbar bleiben die Früchte bis etwa Januar/Februar.

Frucht:

Frucht groß, breitrund kegel­förmig, unregel­mäßig, im Querschnitt unregelmäßig rund bis leicht kantig. Färbung - Grundfarbe bei Pflück­reife grün, gelblich grün, erst spät aufhellend, bei Genussreife grünlich gelb. Deckfarbe sonnen­seitig bräunlich orange oder rot gehaucht (teils von hellen Schalen­punkten unterbrochen), auf bis zu einem Drittel der Frucht, öfters auch gänzlich fehlend. Schalen­punkte klein, auf Grundfarbe z. T. grünlich (oder grünlich umhöft), auf Deckfarbe hell, z. T. mit hellen (auffallenden) Umhöfungen. Kelchgrube mittelweit, flach bis mitteltief; Seiten flach abfallend, teils mit auffallenden Falten und Fleischperlen, vereinzelt mit kleinen Rostspuren. Stielgrube mittelweit bis weit, mitteltief oder flacher, Seiten flach bis mittelsteil abfallend, meist mit einem ausgeprägten, feinen, graubräun­lichen, an seinen Rändern scharf abgegrenzten Rostklecks. Stiel kurz, fleischig oder knopfig, teils von einem leichten Fleisch­wulst zur Seite gedrückt, nicht aus der Stielgrube herausragend. Kernhaus mittelgroß, typisch stielnah. Kernhaus­wände ohren­förmig, meist nur vereinzelt gerissen, die Risse teils hell verpilzt; Frucht­fleisch grünlich weiß, mittelfest, mittelfein bis etwas grobzellig, mittlerer Saft­gehalt. Schale beim Verzehr etwas grob. Süßsäuerlich, geringes Aroma.

Baum:

Der Baum des Doppelten Neuhäuser hat einen mittel­starken bis starken Wuchs mit einer breit ausladenden Krone und außen zum Teil schirmartig über­hängenden Ästen (ähnlich dem Neuhäuser oder auch der überregional bekannten Sorte Jakob Lebel). Er ist wenig anfällig gegenüber Mehltau oder Obstbaum­krebs, in ungünstigen Lagen etwas anfällig für Schorf. Das Blatt ist mittel­groß bis groß, oval, dunkelgrün, etwas derb. Die Blüte zeitigt im Frühjahr mittelfrüh und selten üppig. Dennoch tragen die Bäume reich und regelmäßig. Als vermutlich triploide Sorte ist der Doppelte Neuhäuser jedoch nicht als Befruchter für andere Sorten geeignet. In der Jugend kommt die Sorte spät in den Ertrag.

Verwechsler:

Neuhäuser, Riesenboiken; Boikenapfel, Minister von Hammerstein, Adersleber Kalvill Gegenüber dem „einfachen“ Neuhäuser unterscheidet sich der Doppelte Neuhäuser vor allem durch seine meistens größeren und breiteren Früchte. Eine eindeutige pomologische Unterscheidung beider Sorten ist angesichts der durch Umwelt­einflüsse natürlichen Variabilität der Früchte nicht immer hinreichend möglich. Ein molekular­genetischer Vergleichs­test ergab jedoch, dass beide Sorten zwar miteinander verwandt, nicht aber identisch sind. Mit der an der Nieder­elbe einst verbreiteten Sorte Neuhäuser Boiken haben beide hier im Bergischen Land verbreiteten Sorten dagegen nichts zu tun. Jene Sorte aus dem Norden wurde nach dem Ort Neuhaus a. d. Oste (bei Cuxhaven) benannt. Allerdings kann der Doppelte Neuhäuser in seinem Erscheinungs­bild der Apfelsorte Riesenboiken durchaus ähneln. Darauf könnten gelegentliche Falsch­bezeichnungen in Baumschulen zurück­zuführen sein, die den Doppelten Neuhäuser als „Doppelter Neuhäuser Boiken“ führen.

Anbaueignung:

Der Doppelte Neuhäuser ist eine reine Wirtschafts­sorte für die Saft­bereitung oder häusliche Verarbeitung. Die einstige Beliebtheit dieser Sorte im Raum Solingen und Leichlingen dürfte weniger auf dem besonderen Geschmack als vielmehr auf die gute Gesundheit, die Ertrags­fähigkeit (bei guter Fruchtgröße) sowie auch ihre massenhafte Verwendung als Kraut­apfel zurück­zuführen sein.

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